Ouch! Böser Wicht!


 

Herrschaftswissen

 

   Und, was macht Ihre Karriereplanung?

   BWL-Studium allein kann es ja heutzutage nicht mehr sein! Oder finden Sie es irgendwie unbedenklich, dass Marketing-, Kostenleistungsrechnungs- und Markoökonomievorlesungen gestopft voller Kommilitonen sind?

   Na eben.

   Also braucht es „extrafunktionale Qualifikationen“ - emotionale Intelligenz, soziale Kompetenz, Personalführung, und anderer Managementhype. Denn sonst wird es nix mit dem Vorstandsposten. Aber haben Sie schon mal in einschlägigen Broschüren nachgesehen, was entsprechende Seminare kosten...?

 

   Was also macht Otto-Normalstudent ohne Porsche-Papa?

   An ihn haben glücklicherweise die lieben und selbstlosen Programmdirektoren des werbefinanzierten Fernsehens gedacht. Dank Ihnen gibt es nämlich im Nachmittagsprogramm von RTPROSAT Kommunikations-, Konflikt- und Moderationsseminare zuhauf - und das talktäglich!

   Unsere modernen Volksbildungsanstalten haben sich nämlich das hehre Ziel gesetzt, Managementausbildung breiten Schichten zugänglich zu machen. Zugegeben, die Methoden sind unkonventionell und anstatt „Besser kommunizieren mit Kollegen“ haben diese Seminare Titel wie „Du Zicke, wieso gehst du mit meinem Freund ins Bett!“ oder „Transsexuelle - nehmt uns, wie wir sind!“.

 

   Aber der aufmerksame angehende Akademiker kann sich hier die Essenz modernen Managementwissens herausziehen. Hierzu muss man nur die geschickten und subtilen Lehrmethoden der Trainer durchschauen: sie arbeiten bevorzugt mit negativen Überspitzungen - how NOT to do it! Andreas, Oliver, Hans, Birte, Bärbel, Arabella und die anderen Meine-Show-heisst-so-wie-ichs selbst übernehmen hierbei den Part Moderationstechniken.

   Sie haben doch nicht wirklich geglaubt, dass deren verbalen Tölpeleien und dämliches Schlichter-Gehabe etwa an schlechtem Casting, purer Einfalt oder an ihrem begrenzten Horizont liegen?

   Nein, das ist Berechnung! Sie wollen uns damit vor Augen führen, welche Grundfehler man als Moderator gerade nicht machen sollte. Und die ständige Wiederholung dieser peinlichen Faux Pas bezweckt, dass uns die Coaching-Methoden in Fleisch und Blut übergehen. Ihr ungeschicktes Agieren zwischen den Gefühlswallungen von Publikum („Ey, zu der drittn von links wollt isch sagn...“) und Gästen ist eine humoristische Abschreckung vor den Fettnäpfchen des Moderierens.

 

   Der Teil Konfliktmanagement und Kommunikation wird - unfreiwillig und unwissend - von den Gästen verantwortet. Bühnenkampfhunde mit wenig differenziertem Weltbild und  unverrückbaren Ansichten, gewürzt mit einer ungesunden Portion Selbstüberschätzung. Aufeinanderlosgelassen vollführen sie vor den Augen des interessierten Karrierestudenten spannende gruppendynamische Prozesse. Wenn Maik und Mandy sich über seine Affäre mit Cindy und ihre Pärchenclubeskapaden in die Wolle kriegen, dann tun sie das in unvorbildlicher Konfliktbewältigungsmanier. Vorwürfe werden generell auf der Charakterebene formuliert, Kritik ist durchweg unkonstruktiv, statt Ich-Botschaften fliegt Pseudo-Objektives um die Köpfe und problemorientiertes Streiten können Sie Sich problemlos als das genaue Gegenteil dessen vorstellen, was auf der Bühne geboten wird.

 

   Die Themenschwerpunkte mehrwöchiger Kommunikationsseminare finden sich bei Bärbel Schäfer oder Vera Int-Veen auf 60 Minuten inklusive Werbepausen konzentriert. Mit „Ich find Lesben voll scheiße – da kommt mir die Kotze hoch!“ führt uns Kemal vorbildlich das Verbalisieren von Emotionen vor. Und wenn Hans Meiser darauf nachhakt „Dich stören also Homosexuelle?“, dann hat er eindeutig die Technik der Gesprächssteuerung durch Verständnisfragen verinnerlicht. Aber auch Rolf, 34, Heizungsinstallateur – Untertitel: „Miniröcke provozieren Vergewaltigung“ – kramt gerne in der Trickkiste des aktiven Zuhörens. Sein „Die Anita will doch nur gevögelt werden.“ als Resümee vierminütiger Ausführungen von Anita über ihre Einstellung zu sexy Kleidung ist zwar etwas krude, aber doch eindeutig als zusammenfassendes Intervenieren zu erkennen. Ja, und wenn Anitas Replik „Was wäre, wenn Deine Frau sich Miniröcke kauft?“ mal kein Fragen zum Vorantreiben des Selbsterkenntnisprozess des Gegenübers ist!

 

   Na, ist Ihnen jetzt klar wie Sie Ihren Karriereweg streamlinen können? Das regelmässige Lesen von „Junge Karriere“, Ihre dicken aus der Uni-Bibliothek entwendeten Standardwerke und das Praktikum bei Arthur Andersen reichen nicht mehr aus. Konsequenterweise muss es heißen: „Raus aus dem Hörsaal, rein ins Sofa!“. Vor jeder Recruiting-Messe auf die Sie in Zukunft pilgern, muss eine intensive Vorbereitung mit Ihrem persönlichen Talkmaster/Kommunikationstrainer stehen. Jedes Bewerbungsgespräch für Trainee-Programme will mit Arabella präpariert sein. Und wenn Mami und Papi wissen wollen, was der Firmennachfolger denn so macht, können Sie mit stolzgeschwellter Brust antworten: „Ich zieh mir Bärbel Schäfer rein!“.


   Soviel Studieren strengt natürlich an, deswegen gönnen Sie Sich von Zeit zu Zeit mal gänzlich zweckfreie Unterhaltung und sehen Sie Sich „Das Literarische Quartett“ an.

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