[Zurück zu WerthersWelt]

 
 


ERICH KÄSTNER
1899-1974
 


Der Autor und sein Werk:
Auch wenn er viel zu häufig in den Aufzählungen großer deutscher Autoren des 20. Jahrhun-derts unterschlagen, vergessen oder lediglich mit einem Halbsatz bedacht wird, ist Erich Kästner wohl einer der vielseitigsten unter allen großen Namen.

Er hing nicht etwa wie Brecht, die Lichtgestalt für alle Weltveränderer-Germanisten, einer Lehre an und versucht den Leser penetrant zu missionieren, nein!, Kästner geht wesentlich geschickter vor. Er ist ein Moralist durch die Hintertür, der mit scharfsinniger Beobachtungs-gabe die Zeichen seiner und auch unserer Zeit erkannte, und sie uns  mit Ironie aber auch gutmütiger Geduld vor Augen führt.

Seine satirischen Schriften und Gedichte aus den zwanziger und frühen dreißiger Jahren zeichnen ein kunterbuntes Abbild der Gesellschaft der Weimarer Republik in all ihren Facet-ten. Dass Kästner genau den Zahn der Zeit getroffen hatte und die unbequemen Wahrheiten, die gefährlichen Macken vieler auf dem Präsentierteller vorführte zeigt auch die Tatsache, dass er einer der ersten Schriftsteller war, die die Nationalsozialisten auf ihre "Liste mit undeutschem Schriftgut" setzten. Zu seiner Lyrik sagt Kästner: 
"Der Moralist pflegt seiner Epoche keinen Spiegel, sondern einen Zerrspiegel vorzuhalten. Die Karikatur, ein legitimes Kunstmittel, ist das Äußerste, was er vermag."

Während jedoch der überzeugte Pazifist Kästner den neuen Machthabern, die mit einer Irr-leitung der "kriegerischen Kraft des deutschen Volkes" ein Inferno losbrechen sollten, ein ver-hasster intellektueller Dorn im Auge war, lernten sie bald seine fesselnde Wirkung als Jugend-buchautor und Drehbuchautor zur Berieselung der kriegsgeplagten Bevölkerung zu schätzen.  Kästner emigrierte nicht, er erlebte an eigener Haut mit, wie seine Leistungen als satirischer Schriftsteller, Dramatiker, Kabarettist und Feuilletonist von der organisierten Dummheit als entartet verfehmt und schließlich verbrannt wurden (sein Erlebnisbericht der Bücherverbren-nung auf dem Berliner Opernplatz ist ein fesselndes Zeitdokument), um dann erfolgreiche Ufa-Produktionen im Kino laufen zu sehen, die nach seinen Drehbüchern verfilmt wurden.

Dem Untergang entronnen richtete Kästner von nun an sein Hauptaugenmerk auf die Kinder. Als Pazifist und Moralist war er schon immer auch Realist geblieben und gerade die Zeiten der Herrschaft der Einfältigen hatten ihn darin bestärkt, dass "Was Hänschen nicht lernt...". Sein Optimismus, die Welt könne besser werden, war nicht verflogen, nur zweifelte er daran, dass er sich mit den Erwachsenen auch das richtige Publikum in die Lehrstunde geholt hatte. Stattdessen hatte er die Hoffnung, bei den Kindern aufmerksamere Leser mit offenen Herzen und Geistern zu finden. Dass er bei diesem durch seine stete Neugierde hochkritischen und erwartungsvollem Publikum auf so großen Erfolg stieß, dass wir ihn auch heute noch alle vor allem als Autor von "Emil" oder dem "Kleinen Mann" kennen, zeugt von Kästners Vielseitig-keit und Weise auf seine Leser offen zuzugehen. Kästner ist sozusagen ein deutscher Saint-Exupéry !  Er hat sich nicht einsperren lassen von der Enge und dem Verbotsschilderwald der Erwachsenen und ist ein Reisender zwischen den Welten der Alten und der Jungen, der die Phantasie hat, eine Vision am Leben zu erhalten.

Wie nur wenige Kinder- und Jugendbuchautoren hat es Erich Kästner verstanden, Kinder so darzustellen, wie sie wirklich sind. Und wie nur wenigen ist es ihm gelungen, sich ihnen ver-ständlich zu machen. Er hat nie versucht, ihnen einzureden, jung zu sein bedeute nur, lustig dahinzuleben und vor lauter Glück nicht zu wissen, was oben und was unten ist. Seiner Ansicht nach ist die Jugendzeit nicht aus Kuchenteig gebacken und Kindertränen wiegen ihm genau-so schwer wie Leid und Enttäuschung Erwachsener. Aber deshalb sollten die Kinder sich nicht ins Bockshorn jagen lassen und glücklich sein, so oft wie möglich.

In einer Zeit, da Schriften für Kinder und Jugendliche einzig dazu da waren, sie für den Ernst des Lebens, dieses Stück, das die Erwachsenen da so dilletantisch geben, vorzubereiten, sie zum Prokuristen-, Beamten-,  Schlosser-, Reserveoffiziers- und Soldatendasein hinzuführen, wollte Kästner sie einfach unterhaltsam an der Hand zum guten Menschen führen. Eins dürten sie auf diesem Weg nie: sich etwas vormachen oder von anderen etwas vormachen lassen. Kästner war eben Realist und daher Moralist. Und die Moral seiner Bücher trifft immer mit dem Humor, nie mit dem erhobenen Zeigefinger ins Schwarze.


 


 
Lebenslauf und Veröffentlichungen:
Erich Kästner wird am 23. Februar 1899 in Dresden geboren.
1906 wird er in die Volksschule in Dresden eingeschult und be-sucht in der Folge das "Freiherrlich von Fletscher'sche Lehrer-Seminar". Es ist noch die Zeit in der Dresden Haupstadt des Königreichs Sachsen ist,und die sich später in Kästners Buch Als ich ein kleiner Junge war wiederfindet.
Der Militärdienst wird
1917 für Kästner fällig, es ist der Erste Weltkrieg, der alles verändert und dann doch nicht so viel Neues bringt, wie er sich erhofft. Die Erfahrung beim Militär, die er auch in seinem Gedicht "Sergeant Waurich" verflucht, beeinflusst ihn jedoch nachdrücklich - er wird zum Pazifisten.
Nach Kriegsende ist Erich bis 1919 Hospitant am "König-Georg Gymnasium" in Dresden, er darf also, durch den Krieg aus der Schullaufbahn geworfen, seine Ausbildung zu Ende bringen.
Ein Stipendium seiner Heimatstadt erlaubt ihm die Aufnahme eines Studiums an der Uni Leipzig
1920. Er schreibt sich ein für Ger-manistik, Geschichte, Philosophie und Theatergeschichte. Zu die-ser Zeit jobbt er nebenbei als Redakteur des Feuilletons der Neuen Leipziger Zeitung und und veröffentlicht erste Gedichte.
1925 erfolgt seine Promotion zum Dr. phil. an der Universität Leipzig. Kästner arbeitet als freier Mitarbeiter der Weltbühne und der Frankfurter Zeitung.
Zwei Jahre später, also
1927, siedelt Erich Kästner nach Berlin über. Die deutsche Hauptstadt ist in dieser Zeit der Goldenen Zwanziger ein pulsierendes Zentrum kulturellen Lebens und ein-fach DER Ort, an dem man als junger Schriftsteller sein muss. 1928 erscheint Kästners erster Gedichtband Herz auf Taille und der Kriminalroman für Kinder Emil und die Detektive, der ihm schlagartig schriftstellerischen Ruhm einbringt und nebenbei ihm natürlich den Lebensunterhalt sichert. Schon bald kommt ein gleichnamiger Film in die Kinos.
1929 folgt ein zweiter Gedichtband, Lärm im Spiegel, dessen 49 "gebrauchsfähige" Gedichte aufs Neue die Vielfältigkeit Kästners bei der Darstellung seiner Gegenwart beweisen. Zwei weitere Jahre darauf, die Weltwirtschaftskrise hat sich unterdessen breitgemacht, veröffentlicht Erich Kästner seinen Roman Fabian, die Darstellung eines Moralisten, wie der Autor selbst einer ist, inmitten der untergehenden Weimarer Republik. 1930 folgt der dritte Gedichtband Kästners, Ein Mann gibt Auskunft, den Walter Benjamin als "linke Melancholie" bezeichnet. Die Kinder erfreut er im selben Jahr -1931- mit dem zweiten Bestseller: Pünktchen und Anton (auch er wird in den 50ern verfilmt) und dem "Drunter & Drüber"-Buch Der 35. Mai
1932 werden auch die Kinder lyrisch bedacht: Das verhexte Telefon enthält lustige Kinderverse und für die Erwachsenen gibt es Gesang zwischen den Stühlen.
Im Jahr darauf ist nichts mehr wie es war. Am 30. Januar 1933 ziehen SA und SS in einem schaurigen Fackelzug durch Berlin, um die "Machtergreifung" zu zelebrieren. Kästners personifiziertes Feindbild ist Reichskanzler. Der beliebte Autor findet sich auf-grund seines Pazifismus und seiner, gelinde gesagt, Abneigung gegen die "nationale Revolution" auf der Liste der verbotenen Schriftsteller wieder. Kurz darauf muss Kästner auf dem Berliner Opernplatz miterleben, wie von Goebbels bebrüllt seine Schriften in Flammen aufgehen. Kästner bleibt dennoch in Deutschland; ver-legt sich allerdings auf das Kinderbuch und Drehbuchschreiben, wo er seine Botschaft wohlversteckt zu vermitteln weiß. Andere Entwürfe und Schriften müssen mit der Veröffentlichung bis zum Ende der Tyrannei warten. 
Noch
1933 landet er erneut einen Riesenerfolg mit Das fliegende Klassenzimmer, das allerdings -wie alle seine Bücher aus dieser Zeit- nicht unter seinem Namen erscheinen darf und er für das Ausland über den Schweizer Atrium-Verlag herausgeben läßt, dem er mit seinen Werken auch später noch treu bleibt. Auch wenn Kästner nur (scheinbar) harmlos unterhaltendes veröffentlichen darf, wissen die Herrenmenschen, das Erich Kästner nicht auf ihrer Seite ist. So muß er 1934 und 1937 Verhaftungen und Be-fragungen durch die Gestapo über sich ergehen lassen. 1934 er-scheinen der zweite Teil zu Kästners Kinderbuch-Erfolg Emil und die drei Zwillinge und der Roman Drei Männer im Schnee, der durch seine Verfilmung in den 50ern weite Popularität gewinnt. 1938 folgen der Roman Der kleine Grenzverkehr der eine heitere Liebesgeschichte erzählt und wie es sich für Kästner gehört,ein Kinderbuch: Till Eulenspiegel frei nacherzählt. Man traut ihm jedoch nicht mehr über den Weg, er will einfach nicht aufhören, Moralist und Pazifist zu sein und so erteilt man ihm 1942 gänzliches Schreibverbot.
Die Katastrophe hat sich ihren Weg gebahnt, das Land liegt in Trümmern, doch Kästner ist wieder da, die Stunde Null kommt nicht unkommentiert davon. In
Notabene 45 ist in Tagebuchnotizen Kästners das letzte Kriegs- und erste Friedensjahr dargestellt, in dem was er für niederschreibenswert hielt (erst '61 erschie-nen). In den beiden Bänden Der tägliche Kram und Die kleine Freiheit ist das Schaffen Kästners in den Jahren 1945 bis 1952 in Chansons und Prosa dokumentiert. Er lebt nun in München und arbeitet als Feuilletonredakteur der Neuen Zeitung.
Mit Kinderbüchern knüpft er auch wieder an seine früheren Erfol-ge an.
Das doppelte Lottchen will hauptsächlich unterhalten, während das reich bebilderte Die Konferenz der Tiere -beide 1949 erschienen- Kästners Pazifismus klar zum Ausdruck bringt, aber in einer Sprache, die die Kinder verstehen und aufmerksam hören/lesen. Im Jahr darauf kommen die beiden Märchen Der gestiefelte Kater und Münch-hausen in der Kästner'schen Fassung in die Buchhandlungen. Die rege Teilnahme Erich Kästners am Kulturleben der neuentstandenen Bundesrepublik bringt ihm 1951 die Ehre der Präsidentschaft des westdeutschen PEN-Zentrums (Schriftstellerverband) ein. Im sel-ben Jahr stirbt allerdings auch Kästners Mutter.
Parallel zum Erscheinen seines Kinderbuchs
Die Schildbürger (das sich in Auszügen heute in Grundschullesebüchern wiederfindet) 1954,des Gedichtbands Die dreizehn Monate 1955 und Kästners Vesion für Kinder des Don Quichotte von 1956, beginnen die ersten Ehrun-gen für den Dichter anzufallen. 1956 wird er mit dem Literatur-preis seiner Wahlheimat München ausgezeichnet, 1957 erhält er den angesehenen Georg Büchner-Preis der Stadt Darmstadt (und sein Vater verstirbt im selben Jahr. 
Nun verarbeitet Erich Kästner auch seine Kindheit im schon ange-sprochenen
Als ich ein kleiner Junge war, ein Portait der Kaiserzeit aus Kindersicht. 1960 wird ihm die Hans Christian Andersen- Medaille in Luxemburg verliehen. 1961, dem Jahr in dem Gullivers Reisen erscheint, erkrankt Erich Kästner an Tuberkulose und ver-legt bald darauf seinen Wohnsitz teilweise bis ganz ins klima-tisch günstigere Tessin. Hier spielen auch zum Teil die beiden Kinderbücher Der kleine Mann von 1963 und Der kleine Mann und die kleine Miss von 1967 beides Meisterwerke Kästner'scher Erzählkunst für Kinder. 1969 erscheinen Kästners Gesammelte Schriften für Er-wachsene im Atrium-Verlag, eine Zusammenfassung der Seite Käst-ners die über seinem Talent Kinder zu fesseln oft vergessen ge-rät.
Am 19. Juli
1974 stirbt Erich Kästner im Alter von 75 Jahren in München.

 
 
 

LINKS zu Erich Kästner
Wikipedia-Artikel über Erich Kästner...
Über Kästner und seine Kinderbücher

Hörbeispiele aus Chansons von Kästner
Das Erich-Kästner-Kinderdorf
Werke und Wirkung Erich Kästners !!!
Erich Kästner über "seinen" Emil
Kästner Bücher jetzt bestellen und selbst lesen !
 
 

Gedichte:
Ausgewählte Gedichte bei WERTHERsWELT
Weihnachtslied - chemisch gereinigt
Die Maulwürfe oder Euer Wille geschehe
Die Wälder schweigen
 
 

Noch Fragen, Anregungen, Vorschläge, Kritik, etc. zu Erich Kästner

und allem anderen, was Ihr hier bei WERTHER'sWELT finden könnt ?
Dann schickt mir einfach eine Schickt mir ne Mail ! und ich werde sehen, was
ich für Euch tun kann !


Du bist Besucher Nummer  bei
wertherOnline:  die Projekte von Benedikt Wahler im Netz


Literatur @ WERTHERsWELT
Erich Kästner -  Biographie
bereitgestellt von Benedikt Wahler
URL: http://werthers-welt.benwahler.net/erichbio.htm
Letzte Überarbeitung: 10.02.2001
© copyright 1997 - 2007 by Benedikt Wahler